Der letzte Weg meiner Mutter

an der Bauchspeicheldrüse erkrankten Menschen. Was bedeutet eine Pankreas- / Bauchspeicheldrüsenerkrankung für das Umfeld der Patienten?
Hier können sich Angehörige und Freunde von Pankreas- / Bauchspeicheldrüsenpatienten austauschen
und haben die Möglichkeit über andere Angehörige / Freunde Rat und Hilfe zu finden.
Antworten
LastWords
Beiträge: 3
Registriert: 7. Oktober 2021, 01:03

Der letzte Weg meiner Mutter

Beitrag von LastWords »

Guten Abend liebe Betroffene und Angehörige, vor etwa drei Jahren meldete ich mich in diesem Forum an, da mich meine Mutter bat, dies in ihrem Namen zu tun, weil sie selbst sich nicht wirklich mit dem Internet auskannte und ihren Leidensweg aufzuzeichnen weder sie selbst noch ich ahnten dass er so bald enden würde. Ich möchte mich an dieser Stelle entschuldigen, weil ich zunächst schrieb es ginge um mich selbst, anfangs mochte meine Mutter nichts über sich selbst im Internet lesen und entschied sich dann als es schon geschrieben war anders, alle weiteren Angaben die gemacht wurden entsprachen allerdings der Wahrheit. Nochmal: Es tut mir leid, dass ich ihren Wunsch respektiert hatte, hoffe ihr nehmt es mir nicht übel.

Da ich mich nicht mehr an die Emailadresse erinnere, habe ich spontan beschlossen die Geschichte meiner Mutter mit einem neuen Account zu Ende zu schreiben, ich bin mir sehr sicher, dass sie das gewollt hätte.

Zunächst jedoch ein Rückblick:
Im April/Mai 2018 bekam meine Mutter sehr starke Schmerzen in der Flanke und wurde eigentlich wegen Nierensteinen ins Krankenhaus gebracht, dort untersuchten die Ärzte allumfassend und so wurde etwa im Juni 2018 die Diagnose chronische Autoimmunpankreatitis, schwere Pankreasinsuffizienz und hochgradiger Verdacht auf Pankreaskarzinom gestellt.

Es bildeten sich Steine in Galle, Niere und Bauchspeicheldrüse, da die Steine nicht auf normalem Weg geholt werden konnten, sollte sie operiert werden, was aber nie geschah, dazu später mehr.

Beim ersten Krankenhausaufenthalt wurde eine Papillotomie vorgenommen und sie bekam mittels ERCP einen Stent, da sie sich nicht gleich für die OP entschieden hatte, wurde sie aus dem Krankenhaus entlassen obwohl (anscheinend durch die ERCP) ein Schub ausgelöst wurde und so wurde sie sechs Wochen später wieder eingeliefert weil sie Schüttelfrost, stärkste Schmerzen, hohes Fieber und massivste, nahezu unstillbare Übelkeit bekam und fast einen Darmverschluss hatte.

Sie war in kritischem Zustand auch wenn laut Ärzten keine Lebensgefahr bestanden hatte, der erste Stent war vereitert gewesen und nach Entfernung und Einsetzen eines neuen Stents diesmal im Gallengang sowie der Gabe von Ciprofloxacin wurde sie nach etwa drei Wochen im Krankenhaus in sehr gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen, wo sie sich für die im November geplante Whipple-OP erholen sollte, es folgten im Oktober und Dezember nochmal schwächere Schübe, die aber keinen Krankenhausaufenthalt erforderten, die OP sagte meine Mutter aus Angst ab, da die Ärzte sagten, dass sie nach der OP vorübergehend im künstlichen Koma liegen würde.

Im Jahr 2019 ging es ihr richtig gut, sie konnte im Haus umher laufen und dort alles machen was sie wollte, auch wenn man wohl hätte stutzig werden können, dass da etwas nicht stimmte, weil sie seit Ende 2017 das Haus nicht mehr verlassen konnte, es jedoch nicht an ihrer Gehbehinderung lag und die Ärzte auch keine Ursache finden konnten.

Im Frühjahr 2020 bekam sie dauerhaft Durchfall und wurde bettlägerig, im Oktober 2020 beim Frühstück fing sie an Schleim zu Erbrechen ähnlich dem, den man von einer Grippe kennt, außerdem berichtete sie, dass sie Schmerzen in der Flanke beim Atmen und Aufrichten im Bett hätte.

Dieser Würgereiz trat anfangs nur beim Essen auf, sodass dieses erstmal eingestellt wurde (von ihr selbst) und dann trat es auch beim Trinken, dem Riechen von Gerüchen und schließlich ohne jeden Grund auf. Meine Mutter wollte dann versuchen wieder zu essen und aß dann nur noch kleine Portionen Buchstabensuppe und trank Tee, Apfelsaft verdünnt mit stillem Mineralwasser, später auch pur.

Ihre Medikamente wollte sie nicht mehr nehmen, wegen dem Würgereiz… ins Krankenhaus wollte sie jedoch nicht und da sie das bei noch klarem Verstand geäußert hatte, akzeptierte ich ihren Wunsch und pflegte sie zuhause.

Ich glaube, sie wusste, dass ihr kein Arzt mehr würde helfen können, denn sie sagte oft „Bald bin ich tot“ oder „Ich habe einen Tumor, ich spüre es!“, sie begann dann von einer schwarzen Welle zu sprechen die schlimmer sei als ohnmächtig zu werden und sprach davon dass sie Kreislaufprobleme hätte wenn ich ihr sagte, dass sie ins Krankenhaus müsste und lehnte es ab.

Sie war sehr unruhig und bewegte sich so viel im Bett, dass sie fast rausgefallen wäre und wieder neu gelagert werden musste, weil sie so große Angst vor etwas hatte, dass sie mir nicht nennen konnte oder wollte - ihrem nahenden Tod.

Wenn meine Mutter dann mal schlief war das nur alle fünf Tage für wenige Stunden und sie sprach dann häufig von einem Steg der immer schmaler würde, ich verstand leider nicht, was all das bedeutete, ich wusste dass es ernst war aber dass sie stirbt, habe ich nicht geahnt.

Ich selbst schlief so gut wie gar nicht mehr, da ich Tag und Nacht am Bett meiner Mutter verbrachte, versuchte sie zu beruhigen, sie zu pflegen und ihr das zu geben was sie haben wollte (Trinken wollte sie bis fast zuletzt), in ihren letzten beiden Wochen wollte sie an Eiswürfeln lutschen und einer ihrer letzten Wünsche war es ein Wassereis zu essen, hätte ich gewusst, dass sie sterben würde, hätte ich ihr diesen Wunsch erfüllt.

Am Tag vor ihrem Tod bekam sie Lust auf Obst und es schien ihr besser zu gehen, in der Nacht fing sie dann an so zu atmen als hätte sie eine Panikattacke und war sehr unruhig, dass was selbst Pflegefachkräfte für blaue Flecken hielten, breitete sich nach und nach aus… ich dachte sie hätte eine Panikattacke, gab ihr eine Baldriantablette und als diese nicht wirkte eröffnete ich meiner Mutter, dass ich jetzt den Notarzt rufen werde, sie stimmte zu und als ich mit etwas anderem zum anziehen wieder kam und es ihr anziehen wollte, bemerkte ich, dass sie nicht mehr auf Ansprache reagierte und schaute sie an, sie hatte riesige starre Pupillen und war nicht mehr ansprechbar, jedoch noch am Leben.

Ich rief sofort den Rettungsdienst der jedoch erst nach 30 Min kam und meine Mutter wurde mehrmals reanimiert, bekam jede Menge Adrenalin und einmal gelang es sie zurückzuholen, der Abtransport schien eine zu große Belastung zu sein und sie konnte danach trotz fortlaufender Reanimation nicht mehr zurückgeholt werden, offiziell ist sie dann im Alter von 68 Jahren im Krankenhaus verstorben.

Das Krankenhaus obwohl die Krankheit bekannt war, nannte als Todesursache Multiorganversagen aufgrund einer Urosepsis, ich jedoch glaube, dass sie am Pankreaskarzinom gestorben ist.

Etwas stellte sich übrigens noch heraus und auch wenn ich es nicht zu 100% wissen kann, sorgt es für unheimliche Erleichterung meinerseits - meine Mutter hatte anders als angenommen keine Autoimmunpankreatitis, meine Tante hatte mir erzählt, dass meine Mutter in ihrer Jugend sehr viel Alkohol getrunken hatte und geraucht ebenfalls bis zur Diagnose, daher gehe ich davon aus, dass es eine normale chr. Pankreatitis war und ich selbst vielleicht nie diese schreckliche Krankheit bekomme.

Der Tod meiner Mutter ist jetzt rund 6 Monate her und ich bin sehr traumatisiert davon, die Albträume kommen zwar nicht mehr ganz so oft, aber lautes Atmen treibt mich in den Wahnsinn und ich habe eine Angst davor entwickelt Menschen in die Augen zu schauen weil ich dann die Augen meiner Mutter vor mir habe…. Es war ein schrecklicher Anblick!

Das also war die Geschichte meiner Mutter, die leider mit nur 68 Jahren sterben musste.
Ich hoffe, der Post ist so wie er ist erlaubt, falls nicht entschuldige ich mich.

Liebe Grüße

LastWords
Antworten